Sonntag, 27. Oktober 2013

Merkel und ihr Handy auf dem Weg zur Wahrheitsfindung: Wer wusste wann was?

Bis zum 26.10.2013 melden deutsche Medien, Präsident Obama habe Kanzlerin Merkel in einem persönlichen Gespräch versichert, von einer Überwachung ihres Mobiltelefons nichts gewusst zu haben. Obama habe sich sogar entschuldigt und soll erklärt haben, dass er die Abhöraktion sofort gestoppt hätte, wenn er darüber Kenntnis erhalten hätte: Obama hat angebblich von nichts gewusst
In Veröffentlichungen vom 27.10.2013 wendet sich das Blatt.

Mehrere deutsche Zeitungen berichten, dass die Abhöraktion bereits im Jahr 2002 einsetzte. 2010 soll NSA-Chef Keith Alexander Präsident Obama persönlich über die Geheimoperation informiert haben. Obama soll sogar 2010 ein umfassendes Dossier über die deutsche Kanzlerin bei der NSA bestellt haben, weil er Merkel nicht traute und mehr über sie erfahren wollte.
Spiegel Online: Merkels Handy steht seit 2002 auf der US-Abhörliste
Frankfurter Allgemeine Zeitung: Obama wusste angeblich von Abhöraktionen
Zeit Online: Obama soll vom Lauschangriff gegen Merkel gewusst haben
Der Tagesspiegel: Obama war angeblich über die Abhöraktion im Bilde
Süddeutsche Zeitung: NSA überwachte Merkel schon seit 2002

Am Abend des 27.10.2013 reicht die Süddeutsche Zeitung einen Artikel zu widersprüchlichen Medienberichten über Obamas Kenntnis und Verhalten nach. Der NSA äußert sich selbst in der Sache und stellt Obama einen 'Persilschein' aus. Der NSA bestreitet nicht die Abhöraktion Merkel, aber er erklärt, dass Obama nie über eine angebliche Ausspähung Merkels informiert gewesen sei und NSA-Chef Keith Alexander 2010 nicht über eine angebliche Geheimdienstoperation Kanzlerin Merkel betreffend diskutiert habe: Obama sprach mit NSA-Chef angeblich nie über Ausspähung Merkels

Wer den Beteuerungen Glauben schenken möchte, mag das tun. Vertrauen und Glaubwürdigkeit können jedoch nicht bedingungslos eingefordert werden. Sie müssen sich im praktischen Handeln erweisen, das bisher kaum geeignet ist, Vertrauen und Glaubwürdigkeit herzustellen, sondern im Gegenteil letzte Reste von Vertrauen zerstört.        

Will Kanzlerin Merkel uns mit ihrer gespielten Empörung glauben machen, dass sie über die Abhöraktion nicht im Bilde war? Haben deutsche Geheimdienste gepennt? Es sind keine vernünftigen Argrumente zu erkennen, um diese Darstellung für glaubwürdig zu halten. Es gibt jedoch gute Gründe, Merkel nicht zu trauen. Insofern hat Obama rational gehandelt. Peinlich ist lediglich, dass Informationen öffentlich werden, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Alle Aktionen und Reaktionen von politischer Seite dienen nicht der Wahrheitsfindung, sondern sie verfolgen ausschließlich taktische Kalküle. Merkel steht wahrscheinlich kein Apparat zu Verfügung, der es mit der Potenz von US-Geheimdienstorganisationen aufnehmen könnte. Dank ihrer taktischen Intelligenz gleicht Merkel jedoch nicht nur diesen Nachteil aus, sie konnte sich aktuell sogar einen Vorteil gegenüber Obama verschaffen, indem sie ihn in die Defensive zwingt, ohne dabei ihre wahren Ziele preiszugeben. Die Reifeprüfung für die Aufmahme in den Club der "Five Eyes" ist mit Bravour bestanden. Ob diese brilliante Leistung Bewunderung oder Abscheu auslöst, ist abhängig von der jeweiligen individuellen Persönlichkeitsstruktur und deren Interessenlage, die jeder mit sich selbst ausmachen muss.

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