Montag, 4. November 2013

Wahrheit und Klarheit oder taktische Schlingerkurse? Edward Snowden wird zur Gretchenfrage!

Die Fakten des Abhörskandals sind nicht nur für die USA, sondern für alle Beteiligten, also auch für europäische Regierungen und ihre Geheimdienste unbequem. Deutschland bildet keine Ausnahme. Nachdem Kanzlerin Merkel zuließ, dass ihre Empörung über das Abhören ihres Mobiltelefons öffentlich wurde, durfte vorübergehend über eine veränderte politische Linie spekuliert bzw., je nach eigener Präferenz, auch frohlockt werden. Wer sich von der Diskussion grundlegende Veränderung versprach, dürfte sich jedoch getäuscht haben. Nach Ströbeles Treffen mit Edward Snowden, in dem dieser seine grundsätzliche Aussagebereitschaft bekundete, gegen die auch Russland keine Einwände geltend machte, gerät die deutsche Politik unter Erklärungsdruck und verschanzt sich mutlos hinter Bedenken eines Zerwürfnisses mit den USA.  

Kanzlerin Merkel begibt sich ohne erkennbare Not in die Defensive und erklärt laut Spiegel Online: "Bei alledem geht es aber auch immer um unsere Sicherheits- und unsere Bündnisinteressen". (Bundesregierung lehnt Asyl für Snowden ab). Aha! Aber wie sind denn unsere 'Sicherheits- und Bündnisinteressen' definiert? Ihre inhaltlichen Ausprägungen bleiben ebenso unbestimmt wie die Art der befürchteten Folgen im Fall von Konflikten mit den USA. Vermutlich handelt es sich um ein nicht für die Öffentlichkeit bestimmtes Geheimnis über internationale Interessenverflechtungen, die üblicherweise ökonomisch dominiert sind und deren Gefährdung insbesondere diejenigen betreffen würde, die große materielle Verluste erleiden könnten, die immer auch Machtverluste beinhalten. Wer dagegen wenig verlieren kann, hat keinen Grund zu derartigen Bedenken, weshalb diese Menschen eher Argumente moralischer Art bevorzugen und Snowden möglicherweise auch als Held feiern.

Es bedarf keiner besonderen Weisheit, um vorauszusagen, welches Lager sich durchsetzen wird. In Anbetracht von nur zaghaften öffentlichen Widerständen wird sich die politische Taktik an gegebenen Verteilungsverhältnissen von Macht ausrichten. Aktuell bemüht sich die Regierung darum, ihren 'Schlingerkurs' unter Kontrolle zu bringen, um ihn zu einem 'Slalom' umzugestalten. Voraussichtlich wird das gelingen, denn relevante Einwände sind nicht erkennbar. Ein noch ungeklärtes Rätsel bleibt jedoch vorerst erhalten. Warum hat sich Kanzlerin Merkel trotz ihrer Bedenken bezüglich vermeintlicher Interessenlagen zwischen Deutschland und USA entgegen allen diplomatischen Gepflogenheiten öffentlich derart geräuschvoll wegen ihres abgehörten Mobiltelefons empört? Möglicherweise geht es lediglich darum, die deutsche Wirtschaft durch ein 'No-Spy-Abkommen' gegen Wirtschaftsspionage zu schützen. Damit würden auch die bilateralen Verhandlungen der deutschen Regierung mit den USA erklärbar. Wenn es sich so verhielte, wird demnächst die Frage zu diskutieren sein, wie sich auf dieser Grundlage Europapolitik konstruktiv gestalten lässt.

Spiegel Online: Die Amerika-Freunde schlagen zurück 

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